Hallo liebe Leser und Freunde unserer Buchhandlung,
als unser Gast Achim Amme am Abend des 26. Januar mit seinem Ringelnatz-Programm „Echt verboten“ auf die Bühne in unserer Buchhandlung trat, da wollte er ganz bewusst eine Erwartung nicht erfüllen. Nämlich die, dass es sich bei Joachim Ringelnatz - einem der bekanntesten und beliebtesten deutschen Dichter des 20. Jahrhunderts - um einen Spaßvogel handelt. Statt dessen präsentierte der Schauspieler, Musiker und Autor Achim Amme mit musikalischer Unterstützung von Akkordeonspieler Ulrich Kodjo Wendt, wie ausdrucksstark, tiefsinnig, nachdenklich, hintergründig und auch in unseren Zeiten hochaktuell der Schriftsteller Joachim Ringelnatz ist. Viel zu lachen gab es an diesem Abend natürlich dennoch.
Das lag nicht zuletzt an dem rabenschwarzen Humor des Dichters und der Art, wie Achim Amme diesem mit Stimme, Mimik und Gestik ein Gesicht gab. So ganz nebenbei verschaffte der Schauspieler seinen Zuhörern einen guten Überblick über Leben und Werk von Joachim Ringelnatz, der 1883 als Hans Gustav Bötticher in Wurzen bei Leipzig das Licht der Welt erblickte, schon zu Lebzeiten große Erfolge als Dichter feierte und 1934 in der Zeit des aufziehenden Nationalsozialismus, mit einem Auftrittsverbot belegt, verarmt einem Lungenleiden erlag.
Mit Auszügen aus dem autobiografischen Roman „Mein Leben bis zum Kriege“ und Gedichten über kindliche Spiele beschwor Achim Amme von Beginn an einen Dichter herauf, der es faustdick hinter den Ohren hat. So gab er Anleitung zum „Maikäfermalen“ (in Kurzform: In Tinte setzen, anschließend auf dem Bett herumkrabbeln lassen und wenn die Mutter kommt, so tun, als habe man nichts mit der Sache zu schaffen), oder zum „Himmelklöße“-Spiel, besang den beneidenswerten Status von unschuldigen Kindern und berichtete über Hans Böttichers Zeit auf dem Pensionat und die folgenden Wanderjahre als Matrose und später Soldat der Marine.
Achim Amme überraschte sein Publikum mit eigenen Liedern, die der Schauspieler und Musiker im Stile von Ringelnatz selbst geschrieben und komponiert hat. Wer dem „Besoffen vor Liebe“ lauschte, sah vor seinem inneren Auge wahrlich besoffene Menschen aufziehen. Allein den „Chanson vor großem Publikum“ hat sich Achim Amme beim Autor geborgt, um ihn mit seiner eigenen Musik neu zu interpretieren.
Äußerst harmonisch gelang das Zusammenspiel von Achim Amme und Musiker Ulrich Kodjo Wendt. Dessen swingendes und gefühlvolles Spiel auf dem Knopfakkordeon verlieh dem Abend eine ganz besondere Note. Die beiden Künstler hatten erst durch die Arbeit Achim Ammes an der Literatur von Ringelnatz zusammengefunden. So hatte der Schauspieler ganz gezielt nach einem Akkordeon-Profi Ausschau gehalten. „Erst hinterher haben wir festgestellt, dass wir beide schon einmal für den gleichen Film gearbeitet haben: Er als Schauspieler und ich bei der Filmmusik“, hat Ulrich Kodjo Wendt uns anvertraut.
Wie viel Freude Achim Amme an dem schwarzen Humor von Joachim Ringelnatz hat, zeigte sich zum Beispiel in seiner Darbietung des „Raben-Bulletin“. Darin beschreibt der Autor, was aus drei Raben werden kann, wenn sie seiner Obhut überlassen werden. So richtig makaber wurde es, als Achim Amme die bekannte Ringelnatz-Figur „Kuttel Daddeldu“ in „Seemannstreue“ beschreiben lässt, wie schwer er sich einst von seiner verstorbenen Braut Alwine trennen konnte („Donnerstags grub ich sie wieder aus. Da kamen mir schon ihre Ohrlappen so sonderbar vor.“).
Bekanntes und Unbekanntes, Lustiges und Nachdenkliches – all das hatte der kurzweilige Abend mit Achim Amme und Ulrich Kodjo Wendt zu bieten. Was Joachim Ringelnatz von der Turnerbewegung hielt, zeigten die Akteure ebenso wie seinen Mut und seine Vermessenheit, unter dem Pseudonym Erwin Christian Stolz eine Olympiahymne einzureichen. Ordentlich durchgeschüttelt ergeben die Buchstaben übrigens den Satz „Wer ein Nazistrolch ist“.
Am Ende hatte Achim Amme sein Publikum ausnahmslos überzeugt, dass Ringelnatz alles andere als ein Spaßmacher ist. Der Schauspieler sagte es mit den Worten Erich Kästners: „Merken denn so wenige, dass man keine Kabarettnummer, sondern einen Dichter vor sich hat?“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen die Muße, immer wieder neue Seiten an einem guten Buch zu entdecken!
Ihre und Eure
Helga Volk
P.S.: Wer Gefallen am Vortrag von Achim Amme gefunden hat, kann sich noch in diesem Jahr auf ein Wiedersehen mit dem Künstler freuen. Er ist am 26. Oktober wieder bei uns in der Buchhandlung zu Gast und präsentiert seine Märchenparodien „Rotkäppchen & Co“.