Kann die lang ersehnte Fortsetzung unserer Events nach der Neueröffnung sympathischer anfangen, als mit einem Autor, der charmant bekundet, dass er sich geehrt fühle, die „Premiere in unseren neuen Räumen“ gestalten zu dürfen? An dieser feinen Geste zeigte sich bereits das, was all die inhaltlich so variationsreichen XXS-Geschichten von Alfons Huckebrink gemeinsam haben: Sie werden aus einer Haltung von Großmut, Verständnis, menschlicher Wärme, Lebensklugheit und feinem Humor erzählt.
So gerät Huckebrinks Buch "Gelinde gesagt. 99 Kürzestgeschichten“ auf zweiter Ebene zum beispielhaften Ratgeber des gelassenen Umgangs mit dem geradezu an jeder Ecke lauernden Alltagsirrsinn. Um eine Auswahl aus 99 zu treffen, durften unsere Gäste Lose ziehen und stellten uns aus Huckebrinks Buch das Zufallskaleidoskop dieses Abends zusammen.
Schon nach den ersten Darbietungen bedauerten wir uns um all das, was nicht zum Zuge kommen würde. So neugierig machte diese unterhaltsame, witzige und nachdenklich stimmende literarische Reise durch Begegnungen, Situationen, Betrachtungen und Erlebtes. Da wurden charakterliche Petitessen der Mitmenschen pointiert präsentiert, Sprachkapriolen hinterfragt, abgenutzte Phrasen einer sinnhafteren Bedeutung zugeführt und Philosophisches aus Banalitäten gefiltert. Keine Erzählung länger als eine Seite, einige sogar nur wenige Worte „lang“.
Wer von uns vorher gedacht hatte, Kürzestgeschichten würden atmosphärisch ein gewisses Tempo und Unruhe mit sich bringen, konnte sich entspannt zurücklehnen. Huckebrinks auch im Vortrag respektvoller Umgang mit der Sprache, die Freude am Ausschöpfen ihres Reichtums und am Verweilen darin, bot uns „literarisches slow food“ für bewussten Genuss. Zwischendurch gab es immer wieder kleine Erläuterungen zu der ein oder anderen Geschichte und Austausch mit dem Publikum.
Der Abend schloss mit viel Applaus für den Autor, der noch einige Geschichten aus seinem druckfrischen Buch „Leichter gesagt“ zum ersten Mal vor Publikum gelesen hatte. Wir werden nach dieser Lesung dem Alltag sicher etwas mehr Aufmerksamkeit schenken. Wenn uns demnächst jemand anrempelt, oder unser Blick auf einen unverständlichen Begriff im Amtsformular fällt, dann sind das keine Ärgernisse mehr, sondern unsere lebendigen Kürzestgeschichten. Herzlichen Dank an Alfons Huckebrink, der unseren Blick dafür geöffnet hat.
Ihre / Eure Helga Volk