Ausgesprochen viel Unausgesprochenes
Usch Hollmann und Heiner Eckels gaben Casanovas letzter Liebe eine ganz besondere Note
Wie mögen sie gewesen sein – die letzten Lebensjahre des alternden Giacomo Girolamo Casanova auf jenem verschlafenen Schloss Dux im Königreich Böhmen? Nicht viel ist überliefert über die Zeit, in der der bekannte venezianische Schriftsteller und Abenteurer als Bibliothekar des Grafen Waldstein seine berühmten Memoiren verfasste. Was aber in dieser Zeit hätte sein können – das erlebten die Besucher der szenischen Lesung mit Usch Hollmann und Heiner Eckels am Donnerstagabend in unserer Buchhandlung auf amüsante Art und Weise. Obwohl die beiden Künstler ausgesprochen viel unausgesprochen ließen, hatten die Zuhörer von Anfang an ein lebendiges Bild jener Zeit und der beiden Protagonisten Sophie Krumbeigel und Casanova vor Augen.
Das lag nicht zuletzt an Usch Hollmann, die sich als äußerst vielseitige Künstlerin erwies und mit einem liebenswerten böhmischen Akzent der Zugehfrau Sophie Krumbeigel eine authentische Stimme verlieh. Diese Sophie ist auch der Grund, weshalb sich Usch Hollmann schon vor vielen Jahren in das Theaterstück „Casanovas letzte Liebe“ von Karl Gassauer verguckt hat. „Weil die Sophie so schön böhmakelt“, wie Usch Hollmann uns kurz vor der Lesung verraten hat. Mit Heiner Eckels hat sie nun den perfekten Gegenpart gefunden, der der Figur Casanovas kraftvollen Ausdruck verleiht. „Der Reiz des Stückes ist, dass diese Personen überhaupt nicht zueinander passen – und doch entsteht eine Art Nähe zwischen ihnen“, erzählt Heiner Eckels, was ihm am Stück gefällt.
Während Casanova vor der einfachen Frau aus der Dienerschaft des Schlosses mit seinen Begegnungen mit den Mächtigen der Welt und den schönsten Frauen aus besten Häusern prahlt, kann die schlichte Sophie auch nach 40 Jahren nicht von ihrem einzigen Wilhelm lassen. Mit dem preußischen Soldaten und Sohn eines Gastwirtes hat sie ein kurzes amouröses Abenteuer erlebt. „Und es ist ja auch niemand mehr gekommen, wo mich hat heiraten wollen“, bedauert sie gegenüber dem feinen Herrn.
Trotz aller Standesunterschiede kommen die beiden einander nahe. Der eitle Casanova benötigt in seiner Einöde Zuhörerschaft, um sich als der zu fühlen, der er stets gewesen ist. Und die einfache Sophie, auch sie öffnet ihr Herz und berichtet Dinge aus ihrem Leben, die sie nie zuvor einer Menschenseele anvertraut hat. Und sie räumt ein: „Ich begreife, dass man einen braucht, dem man alles erzählen kann.“
Was die beiden einander zu sagen hatten, erwies sich für unsere Gäste als höchst vergnüglich. So gluckste manch einer im Publikum vor Vergnügen, als die Sophie dem feinen Herrn den preußischen Taler von ihrem Wilhelm präsentiert – und der Herr Casanova beim Anblick ihrer weiblichen Reize in Verzückung gerät. Am Ende verabreden sich die beiden zu einem „Liebesopfer“, wie Casanova es ausdrückt. Die Pointe sorgte für große Erheiterung. Denn in Vorfreude antizipiert Casanova schon einmal dieses Liebesabenteuer in seinen Memoiren. Als er zur Einstimmung auf den Abend Sophie daraus vorliest, verstirbt er, ehe es zum Äußersten kommt. Zurück bleibt eine traurige Sophie, um ihre letzte Chance, den Wilhelm zu vergessen, betrogen, sagt sie: „Jetzt werde ich nie erfahren, wie es mit uns weitergegangen ist. Ich kann doch nicht lesen!“
Lesungen, Musik und mehr stehen auch in den kommenden Wochen auf unserem Programm. Wenn Sie mögen, schauen Sie gerne bei uns vorbei: Alle Termine und Karten gibt es im Bereich Termine und Veranstaltungen.
Ich freue mich auf Sie!
Ihre / Eure
Helga Volk