Psychologe und Milliongewinner Leon Windscheid erklärt, wie man die eigene Angst und Vorurteile besiegt
Von Jens T. Schmidt
RECKE. Den größten Lacher landete er, als er gar nicht witzig sein wollte. „Gibt‘s hier einen Bahnhof?“, wollte Leon Windscheid wissen. Das sorgte für große Heiterkeit im Publikum. Woher sollte der Solinger mit Lebensmittelpunkt Münster auch wissen, dass Recke und der Rest der Region derzeit kontrovers über die Reaktivierung der Tecklenburger Nordbahn diskutiert? Egal: Der 28-Jährige ließ sich von der guten Laune anstecken und lachte einfach mit.
100 Leute wollten den Doktor der Psychologie, Milliongewinner bei Günther Jauch, Betreiber des Partyschiffs „MS Günther“ und frisch gebackenen Buchautoren sehen und hören. „Ausverkauft“, hatte Buchhändlerin Helga Volk schon vor Wochen vermeldet.
Windscheids Anliegen: Die Psychologie aus der Tabu-Ecke rausholen. Offen über psychische Erkrankungen reden. Aufzeigen, dass es „Stellschrauben gibt, an denen man drehen kann, um die eigene Psyche in den Griff zu kriegen“. Und das Ganze nicht wissenschaftlich-verkopft, sondern witzig-unterhaltsam rüberbringen. Es sollte ihm gelingen.
Mit der Bahnhofsfrage leitete Windscheid das Thema „Schubladendenken“ ein. Sollte es am örtlichen (Bus-) Bahnhof einen Anschlag geben – würden die Zuhörer so ein Verbrechen eher einem „Thomas“ oder einem „Mustafa“ zutrauen? Auch wenn aufgeklärte Menschen Vorurteile meist weit von sich weisen – das ist eine trügerische Selbstsicherheit, machte der 28-Jährige seinem Publikum klar, denn: „Unser Hirn hat gar nicht die Kapazität, stets jede Entscheidung rational zu treffen.“ Deshalb verlasse es sich zuweilen auf Vorurteile. Windscheids Folgerung: „Unser Hirn ist faul. Man muss es permanent treten und fordern, damit wir Dinge kritisch prüfen.“
Das untermauerte er am Beispiel Donald Trump. Der nutze die Psychologie, indem er die Schubladen in den Köpfen seiner Anhänger „immer weiter mit Vorurteilen zuschaufelt“. Doch das kann auch andersherum funktionieren: Windscheid zeigte einen angeblichen Trump-Tweet, in dem dieser behauptete: „ALLE Muslime sind Terroristen – traurig aber wahr!“ Die meisten Zuhörer nahmen dies für bare Münze, weil man dem Typen ja so ziemlich alles zutraut. Das Problem: Der Tweet war frei erfunden. „Auch ihre Schubladen sind so voll mit Vorurteilen wie die der Trump-Anhänger“, stellte Leon Windscheid fest.
In einem anderen Kapitel seines Buchs „Das Geheimnis der Psyche“ geht es um Angst und wie man mit dieser umgeht. Grundsätzlich sei Angst ein „Überlebensretter“: Der furchtlose Neandertaler wurde vom Bären gefressen, während jene, die aus Angst wegliefen, überlebten. Problematisch wird es aber, wenn Furcht die Oberhand gewinnt und es dem Menschen nicht mehr gelingt, die Angstspirale zu durchbrechen. „Es gibt Angstpatienten, die am Ende nicht mehr vor die Tür gehen“, sagt der Psychologe. Gegenmittel: „Man muss es schaffen, einen Strich durch die Spirale zu ziehen.“ Am besten gelinge dies, wenn man Stresssituationen – etwa Auftritte vor Menschen – vorab durchspiele.
Er selbst hat sich so auf die Quiz-Sendung mit sechs Millionen Zuschauern vorbereitet: Im Kreise von WG-Kumpels, nur mit einer Unterhose bekleidet, Quizfragen beantwortet. Was soll einem dann bei „Wer wird Millionär“ noch peinlich sein? Windscheids Fazit: „Die Fragen waren am Ende gar nicht so schwer. Die Kunst besteht darin, sich nicht verrückt machen zu lassen.“
(Quelle: Ibbenbürener Volkszeitung, 8.7.2017, Autor: Jens T. Schmidt)